Zunehmende Entstehung von „Armen-Gettos“ in Deutschland
Nach einem Stern-Bericht entstehen in Deutschland immer mehr sogenannte „Armen-Gettos“, was die Idealvorstellung einer sozialen Mischstruktur immer weiter ins Abseits drängt. Gestützt wird diese These durch eine aktuelle Studie des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung. Hierbei wurde die sozialräumliche Segregation 74 deutscher Städte für den Zeitraum 2005 bis 2014 untersucht.
Was sind „Armen-Gettos“?
Die Bezeichnung wird landläufig für Gegenden in Städten verwendet, in denen der überwiegende Teil der Menschen in Sozialwohnungen lebt, die von staatlicher Seite bezahlt werden, eine sehr geringe Kaufkraft vorhanden ist und deutliche Spuren mangelnder Pflege, Verwahrlosung und Müll sichtbar sind. Meist herrschen hier zudem Drogen, Gewalt und eine generell hohe Kriminalitätsrate vor. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass in mindestens 80 % der untersuchten Städte solche Gebiete sichtbar gewachsen sind – insbesondere dort, wo viele Familien mit kleineren Kindern und generell arme Menschen leben. Auffällig hierbei: Besonders im Osten der Republik in Städten wie z. B. Weimar, Halle, Erfurt, Rostock oder Potsdam zeigt sich eine sehr stark ausgeprägte Entwicklung in diese Richtung. Im Westen sind hier besonders Köln, Kiel und Saarbrücken zu nennen.
Sozialwohnungsbau trägt zur Gettoisierung bei
Die Schaffung von Sozialwohnungen heizt den Trend zur Gettoisierung an – diese entstehen nämlich hauptsächlich in Gegenden, wo bereits viele arme Menschen wohnen und vergrößern so die einkommensschwachen Gebiete. In Städten wie beispielsweise Dresden oder Magdeburg kann ein solcher Trend nicht beobachtet werden, weil die nach dem Krieg komplett zerstörten Städte beim Neuaufbau anders strukturiert wurden. Die Neu- und Plattenbauten verteilen sich ausgewogen über das gesamte Stadtgebiet – was einer konzentrierten Gettoisierung entgegenwirkt. Dies führt auch zu einem Lösungsansatz der Forscher für die betroffenen Gegenden: Der soziale Wohnungsbau sollte sich strukturell besser verteilen, also z. B. auch in Gebieten gefördert werden, wo nicht nur sozial bzw. einkommensschwache Menschen wohnen. Dies würde zwar erst langfristig eine Wirkung entfalten, könnte aber eine neue Basis für die weitere Entwicklung bilden. Kurzfristiger könnte nach Vorschlägen der Forscher die Investition in Bildung mögliche Erfolge bringen, denn die negativen Effekte der derzeitigen räumlichen Konzentration betreffen insbesondere Kinder und Jugendliche. In einigen Gebieten entstünden bereits Schulen mit Förderung für sozial benachteiligte Kinder oder Jugendliche mit Migrationshintergrund. Hier könnte sich auch kurz- und mittelfristig eine Besserung einstellen.
Gestaltung geht uns alle an
Letztendlich geht die Umstrukturierung betroffener Gebiete uns alle an, denn niemand möchte in Gebieten in großen Städten leben, in denen hohe Kriminalität, Gewalt und Armut vorherrschen. Sie sind neben den Nachteilen für die Betroffenen auch ein negatives Aushängeschild für Deutschland und bereiten viele Probleme im gesamten Umland der Gegenden. Das Thema mag für viele nicht Betroffene zunächst einmal weit weg erscheinen, doch sollte die Entwicklung weiter wie bisher durch eine starke Zunahme solcher Gebiete gekennzeichnet sein, wird es für immer mehr Menschen zu einer wichtigen Thematik aufsteigen. Hier wäre Vorsorge und baldige Aktion sicherlich besser als diese Entwicklung abzuwarten.
Bild©AdobeStock_REMINDFILMS